Irina Hesselink interviewt Damenkraft:

Da soll noch mal jemand behaupten, die Bahn schaffe keine guten Verbindungen. Bei täglichen Zugfahrten gen Hamburg lernte sich das Itzehoer Duo Damenkraft kennen, 2007 legte das Dreamteam beim Gipfeltreffen im Goosmarkt die erste gemeinsame Performance hin. Inzwischen gelten sie als Geheimtipp für frech-frivole Schlager und Chansons der 20er, 30er und 40er Jahre.

"Ist hier noch frei?" Die klassische Frage in vollen Zügen brachte Lydia Dennull und Helga Hebbeln vor knapp 20 Jahren zusammen. Beide fuhren täglich gen Hamburg - die eine studierte Bekleidungstechnik, die andere war im Vertrieb eines Mineralölkonzerns tätig. Gute Gespräche hätten sie geführt: "Alles andere war uns zu blöd - Zeit ist schließlich kostbar", sagt Lydia Dennull. Man sprach über Lebensträume, die Singerei - und darüber, ob die heutige Frontfrau der Band Soul 8/15 vielleicht doch noch mal Gesangsunterricht nehmen sollte. Ja, fand Hebbeln - schaden kann das nicht. Als die gemeinsame Zug-Zeit vorbei war, traf man sich eher sporadisch wieder - bei Geburtstagen, beim Einkaufen und 2007 zu den Vorbereitungen des ersten Itzehoer Gipfeltreffens im Goosmarkt. Kleinkunst aus der Region stand dort auf dem Programm - und Dennull und Hebbeln warfen ihr Repertoire zusammen: Milva-Parodien plus Chansons der 20er, die Helga Hebbeln auch in Solo-Performances als "Trotzsonette" zum Besten gibt. Zum Singen kam die in der Hamburger Chansonerie ausgebildete 53-jährige über das Theater. Als Amerikanische Freiheitsstatue in dem Theaterstück "In 80 Tagen um die Welt" sollte Hebbeln den Sinatra-Song "New York, New York" schmettern, nach dem ersten Versuch wollte der Regisseur dann doch lieber ein Band einspielen. "Das kam nicht in Frage, dafür bin ich zu ehrgeizig", erinnert sich die Besitzerin dreier Katzen aus Heiligenstedtenerkamp. Sie probte mit Gesangslehrer, sang das Stück live und hängte gleich eine zweijährige Chanson-Ausbildung an. In dieser Zeit lernte sie den Profi-Musiker Jurij Kandelja kennen, der das Duo inzwischen überall hin und gekonnt begleitet.

Lydia Dennull hat ihre Stimme schon von klein auf geschult - mit den jeweils aktuellsten Songs von Heintje. Die Textzeilen wurden von der Familie mitgeschrieben, wenn der Niederländer bei Peter Frankenfeld zu Gast war. Klein-Lydia lernte sie dann schaukelnd auswendig - Strophe für Strophe, die jeweils nächste wurde immer aus der Küche abgeholt, wo der Textzettel lag, den die Familie beim abendlichen Fernsehen zusammengetragen hatte: jedes Familienmitglied eine Zeile. Wenn das Stück saß - "ich brauchte dafür ungefähr einen Vormittag" - schwang sich die Vierjährige auf ihren Roller und flitzte laut singend den Ostlandring in Hohenaspe herunter. Ihr Ziel war das Rentnerheim: "Ich fand, dass alle unbedingt den neuesten Heintje-Song hören müssen". Jahre später sorgte die Leihgabe ihres Tonbandgerätes an die Bluesband Blue Note für ein tieferes Eintauchen in die Itzehoer Musikszene. Mit dem Gerät sollten die Vorträge der potenziellen neuen Vocals mitgeschnitten werden, die bei der Band vorsangen. Eine Sequenz wurde aus Versehen nicht überspielt - beim Abhören war noch Lydias Stimme bei der Interpration eines Rock-Songs zu hören. Den hatte sie im stillen Kämmerlein für sich allein "mal so gesungen", jetzt resultierte daraus die erste Verpflichtung als Frontfrau einer Band. Auch das ist inzwischen ein paar Jahre her, heute besingt und beseelt sie die Auftritte von Soul 8/15, im Juni diesen Jahres noch auf der Open air Fabrik-bühne in Hamburg im Rahmen der Hamburger altonale.

Warum Damenkraft das für sie so typische Repertoire ausgearbeitet hat, beantwortet Lydia mit einem Lacher: "Ich war echt beeindruckt davon, was für wilde Sachen es da so gab in den 20er Jahren". Die Wortspielereien, die Hebbeln und Dennull auf die Bühne bringen, sind ebenso kernig und markig, wie die beiden Damen selbst. "Ich mag so Leute, die direkt sind", sagt Dennull. Und wer sie mit roter Perücke, falschen Wimpern und rotem Glitzerkleid auf der Bühne sieht, kann kaum glauben, dass es sich um den blonden Kumpeltyp aus der Nachbarschaft handelt. Eben noch in Jeans und Fleece-Pulli, jetzt betörende Diva, die auf ihre unverwechselbare Art von "Vittorio" schwärmt und dabei so herrlich mit den falschen Wimpern klimpert. Dass es zwischen den Damenkraft-Partnerinnen "funkt", wie die beiden sagen, beweisen sie bei ihren Live-Auftritten immer wieder aufs Neue. Da wird geherzt und gescherzt, munter intoniert und immer wieder auch improvisiert. "Wir sind beide Quatschtaschen - offenherzig und direkt, außerdem ziemlich unkompliziert", sagt die Traumverbindung von sich. Spontane Ideen würden stande pede umgesetzt, neue Gags vielleicht ein- oder zweimal geprobt, der Rest ergebe sich. "Ja - wir wundern uns selbst immer, dass das so gut ankommt", lacht Hebbeln.

Die Kombination aus frech-frivolen Songs, schrillem Outfit und lockerer Zunge hat den beiden Damen diverse umjubelte Auftritte und eine Bekanntheit beschert, die auch Quatschtaschen mitunter sprachlos macht. Die schrillen Fummel, die die beiden tragen, sind zum großen Teil selbst designt: Silberne Hot Pants, schwarze Glitzerroben oder tief dekolletierte Kleider - immer kombiniert mit Haarteilen und aufregendem Schmuck. Netzstrümpfe und -halter ordern sie bei Versandhäusern, ebenso die kessen schwarz-roten Korsagen. Stramm geschnürt kommen auch die Korsagen auch bei künftigen Auftritten der beiden zum Einsatz. Mit viel Herz, Charme und Spaß singen sie von Emil und Wladimir, freuen sich über gehende Ehemänner und besingen die Peter dieser Welt mit hauchigen und mal schrillen Tönen. Auch Jurij Kandelja wird wieder dabei sein, gewohnt zurückhaltend sorgt er für die Begleitung der beiden Damen, die muntere, kernige und erfrischende Abende versprechen. Überhaupt nicht damenhaft, aber so richtig schön damenkräftig...

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